ToGü-Verlag
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Die Hildes-Heimdall-Brücke!

Heimdall ist ein Ase mit außerordentlichen Fähigkeiten in der Sinneswahrnehmung. In der germanischen Mythologie ist er der Wächter und Beschützer der regenbogenfarbenen Himmelsbrücke, die die menschliche Welt mit der Welt der Götter verbindet. Heimdalls Heimat ist die Himmelsburg. Das Erschallen seines Horns ist der Startschuss zum Weltenuntergang.

Ich habe ja schon mehrmals darauf hingewiesen, dass es so scheint, als hätten unsere Vorfahren ihre Mythologie und Geschichte nicht nur in Liedern und Sagen festgehalten, sondern auch in Orts- und Namensbezeichnungen. Auch die Hornbegriffe finden wir wieder einmal endlos. Zufällig auch wieder in der Nähe unserer alten Kultplätze. Am bekanntesten dürfte die Stadt Horn an den Externsteinen sein. Passend hört sich auch Hornsen am kultigen Sackwald an. In Zusammenhang mit dem Begriff Horn fällt mir spontan noch die Schlacht am Harzhorn, die Einhornhöhle bei Scharzfeld ein, oder dass der Monat Februar bei den Germanen Hornung genannt wurde.

Die Warnung aus Heimdalls Horn nutzte nichts. Es gab zu viele Unstimmigkeiten, auch weil man sich im Laufe der Zeit einander Hörner aufgesetzt hatte. Offensichtlich musste man sich selbige jetzt abstoßen. Heimdall und Loki töteten sich beim Weltenuntergang gegenseitig im Kampf. Im Grunde ging der Weltenuntergang genauso ergebnislos aus wie das Hornberger Schießen. Gewinner gab es nicht. Alles war nach dem Weltenkampf zerstört. Selbst der in allen Farben leuchtende Weg in die Götterwelt, die Regenbogenbrücke nach Asgard, stürzte ein.

Wie das Horn nutzten die Germanen auch den Regenbogen als ein Symbol. Er steht  für die Verbindung der Erdenwelt mit der Götterwelt. Über ihn gelangt man ins Himmelreich und zurück. Während der Bauernkriege wählten die Unterdrückten unter Thomas Müntzer den Regenbogen ebenfalls als ihr Symbol und bannten ihn auf ihre Fahnen. Dies ist der Ursprung der heute weltberühmten Regenbogenfahne. Sie symbolisierte den Wunsch der Bauern, dass die Menschen wieder zu Gott finden und sich mit ihm verbinden sollten. Und wie ein Zeichen Gottes erschien die Regenbogenbrücke vor der entscheidenden Schlacht bei Frankenhausen am Himmel. Die Bauern glaubten, dass nun alles gut werden würde. Sie wollten verhandeln und mit den 12 Artikeln bauten sie den Herrschenden eine goldene Brücke, um die Gottlosigkeit auf Erden zu beenden. Doch die Herrschenden betraten sie nur zum Schein. Wortbrüchig ließen sie die Bauern unterhalb der Hornungshöhe im sagenhaften Kyffhäuser mitleids- und gnadenlos abschlachten.

Meine Heimat ist Hildesheim. Auch hier gab es eine berühmte Brücke. Es ist eine um 1160 zusammen mit dem Johannisspital erbaute Steinbrücke, die Johannisbrücke. Sie bestand aus mehreren Bögen, die sich über die Innerste schwangen. Sie war zur damaligen Zeit ein außergewöhnliches Bauwerk und sagt einiges über die Bedeutung Hildesheims für die katholische Kirche aus.

Diese Johannisbrücke verband Domburg und Altstadt mit der Dammstadt. Über sie konnte man u.a. den heutigen Stadtteil Himmelsthür am Osterberg erreichen. Wenn man sich bei Sonnenschein auf diesen Weg begab, dunkle Wolken aufzogen und im Sommerregen ein bunter Regenbogen über der Brücke aufspannte, wird sie Heimdalls Himmelsbrücke  nicht unähnlich gewesen sein.

Und auch die Johannisbrücke spielte eine entscheidende Rolle bei einem Weltenuntergang. An Weihnachten 1332 drangen die Bürger der Altstadt über sie in die Dammstadt ein und machten die Dammstadt dem Erdboden gleich. Der Heimdall der Dammstadt, der seine Heimat über diese Brücke bewachen sollte, hatte wohl heimlich geschlafen oder sein Horn vergessen. Die Welt der Dammstadt war für Jahrhunderte vernichtet.

Im Laufe der Zeit vergaßen die Hildesheimer Bürger ihre Brücke. Von dem Johannisspital steht nur noch eine Mauer. Und an die alte ehrwürdige Johannisbrücke erinnern heute nur noch Namen wie der Johannisfriedhof oder die Johannisstraße. Ihr Erbauer war der berühmte Rainald von Dassel, der u.a. auch Hildesheimer Dompropst gewesen war. Auf dem Gelände der ehemaligen Dompropstei steht heute die Freimaurerloge.

Die Hildesheimer Loge, die ehemalige Dompropstei

Kurz vor Weihnachten bin ich durch Hildesheim gefahren und regte mich darüber auf, dass die Dammtorbrücke schon monatelang gesperrt war und dort offensichtlich nichts passierte. Am 1. Weihnachtstag erzählte ich die Begebenheit und erstaunt musste ich von meinen Schwiegereltern erfahren, dass man dort im Mai des letzten Jahres bei Kanalarbeiten unter der Dammstraße auf einen Hohlraum gestoßen war, der sich als Teil eines Brückenbogens entpuppte. Untersuchungen ergaben eine archäologische Sensation. Es wurde eine jahrhundertealte Steinbrücke mit acht Brückenbögen gefunden. Sie soll etwa 7,50m breit und 40m lang sein und liegt 2,5 m unter der heutigen Fahrbahn der Dammstraße im Bereich der Kreuzung mit der Johannisstraße. Sie ist eine der ältesten Steinbrücken Deutschlands. 20.000 Autos fuhren hier zuletzt täglich drüber hinweg und die Brückenbögen sind immer noch intakt. Kurz gesagt: Man hatte die von Hildesheimer Steinmetzen und Maurern erbaute architektonische Meisterleistung, die Johannisbrücke, wiederentdeckt. 850 Jahre nach ihrer Erbauung!

Sowohl der Schutzpatron der Steinmetze als auch der Freimaurer war/ist Johannes. Wir finden die drei Grade Lehrling, Geselle und Meister sowohl im Handwerk als auch in der Johannisloge. Und die handwerklichen Messinstrumente Zirkel, Lineal und Winkel sind Symbole der Freimaurer. Die Freimaurerei hat sich klar aus den Traditionen der mittelalterlichen Steinmetze und deren Bauhütten entwickelt. Das Johannisfest der Steinmetze am Tag der Sommersonnenwende feiern die Freimaurer noch heute als ihr Bundesfest. Es ist von Rosen und Rosensymbolik geprägt.

Diese Gedanken brachten mich auf die Idee, ob die wiederentdeckte Johannisbrücke nicht eine Verbindung mit der Hildesheimer Freimaurerloge in der Kesslerstraße haben könnte, zumal Hildesheim berühmt ist für seinen 1000jährigen Rosenstock und die Loge auf dem Grundstück der alten Dompropstei der Rosenstadt liegt. Von Dassel, der Erbauer der Johannisbrücke, war ja wie bereits erwähnt Dompropst gewesen. Und tatsächlich habe ich eine mögliche Verbindung gefunden.

Bodenplatte vor dem Paulustor der Domburg

Am Hildesheimer Rathaus findet man eine Inschrift über eine Maßeinheit „Dut is de garen mathe“ Die Maßeinheit ist zwar weg, aber die Halterungen schauen noch aus dem Mauerwerk. Das Maß zwischen den Halterungen beträgt 1,065m.

Wenn man nun vom Brückenbeginn der wiederentdeckten Johannisbrücke eine gerade Linie zum Grundstück der Freimaurerloge in der Kesslerstraße zieht, beträgt die Strecke um die 1065 m. Also ziemlich genau das 1000fache des Maßstabes, den man am Hildesheimer Rathaus findet. Die Addition der Buchstaben des Satzes „Dut is de garen mathe“ ergibt 17. Und der Johannistag 1717 gilt als Gründungsdatum der Freimaurerei.

Wenn diese Zahlenspielerei kein Zufall ist, dann bedeutet es, dass Rainald von Dassel und seine Baumeister die Dompropstei in Zusammenhang mit der Johannisbrücke um 1160 geplant haben und das Maß am Rathaus nicht bloß ein Garnmaß ist, sondern der Vermessung und Planung der Stadt diente. Das Wissen um dieses Maß müsste in den Bauhütten 175 Jahre später noch existiert haben, denn in dieser Zeit wurde erst das Rathaus gebaut.

In dem Abenteuerroman "Der Germanische Geist" erfährt man etwas über die Geschichte der Brücke und wie es damals wirtschaftlich überhaupt möglich war, solche Bauwerke zu errichten. In der Zeit bis 1350 sind allein in Deutschland um die 3000 (!) Städte entstanden. 

Auch bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der wiederum Jahrhunderte später nach dem Rathaus entstandene  Langelinienwall. Unsere Begriffe Linie oder Lineal leiten sich von dem Begriff Leine ab. Leine, Schnur oder Strecke sind alte handwerkliche Messbegriffe. Wir sagen noch heute „schnurstracks gerade aus“, wenn wir eine Strecke bestimmen/beschreiben wollen. Der Langelinienwall verläuft in seiner Verlängerung auffällig gerade und exakt auf die wiederentdeckte Johannisbrücke zu.

Vielleicht regen diese Funde manchen Brückenbauer dazu an, Hildesheims Gebäude und Straßen mal genauer zu vermessen. Vielleicht lässt sich dann nicht nur eine Brücke von Hildesheim zu Heimdall schlagen, sondern gar eine neue Regenbogenbrücke bauen, die uns wieder mit der Himmelswelt verbindet. Und stellen Sie sich mal vor, diese müsste nicht einmal mehr bewacht werden. Ach, was wäre das für eine schöne Brücke! Ich würde sie Hildesheimdall nennen.

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