ToGü-Verlag
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Sonnenwende!

Viele kirchliche Feste haben einen älteren heidnischen Ursprung und wurden in den christlichen Kalender eingebaut. Eines davon ist das Weihnachtsfest, das dem germanischen Fest der Wintersonnenwende entspricht. Von Seiten der Kirche wird der germanische Ursprung des Weihnachtsfestes in der Regel verneint. Als Begründung wird meist angeführt, dass das Fest von Jesus Geburt am 25.12. gefeiert wird, dagegen die Wintersonnenwende schon am 21.12. stattfindet. Die Russen feiern Weihnachten sogar erst am 07.01.! Diese Unstimmigkeiten haben jedoch astronomische und kalendarische Gründe. Die Abweichung vom russischen Weihnachtsfest rührt daher, dass die Russen noch heute Weihnachten nach dem Julianischen Kalender bestimmen, während wir für die Bestimmung den genaueren gregorianischen Kalender verwenden. Niemand würde aber deswegen auf die Idee kommen zu behaupten, dass es sich bei dem russischen Weihnachtsfest und dem deutschen um zwei verschiedene Feste handelt. In den ersten Jahrhunderten nach dem Zeitenwechsel fiel das Weihnachtsfest noch auf den Tag der Wintersonnenwende. Es ist also ein und dasselbe Fest.

Der deutsche Begriff Weihnachten leitet sich aus dem Althochdeutschen Wihe Nahten ab. Wih hat, wie wir im letzten Artikel erfahren haben, die Bedeutung von Heiligtum. Weihnachten bedeutet also Heilige Nächte. Im Skandinavischen nennt man es Jul. Was Jul genau bedeutet und welcher germanischen Sprache es entstammt, darüber streiten sich die Geister. Vergeblich hat die Kirche in Skandinavien versucht, diesen Begriff auszutauschen und zu ersetzen. Die Angelsachsen in England bezeichneten die Sonnenwende als Mütternacht. Wahrscheinlich deswegen, weil am 21.12. die Sonne und somit das Leben sinnbildlich neu geboren wird. Die Tage werden wieder länger und die Sonne kehrt zurück. Das Wiederkehren der Sonne war für das Leben im nördlichen Europa von entscheidender Bedeutung und wurde dementsprechend gefeiert.

Die Zeit zwischen den Jahren.

 

Die Wintersonnenwende läutete aber auch die wunderlichste Zeit des Jahres ein. Diese Zeit hat nichts von ihrem Zauber verloren und berührt uns noch heute tief im Innersten unserer Seele. Da die Germanen neben dem Sonnenjahr (365 Tage) auch das Mondjahr (354 Tage) kannten, gab es eine fehlende Zeit von 11 Tagen und 12 Nächten. Das war die Zeit „zwischen den Jahren“. Ein Begriff, der sich bis heute in mehreren europäischen Ländern hat halten können. Die Zeit zwischen den Jahren war die Zeit der Erholung und des Besinnens. Die Nächte, in der man diese eigenartige göttliche Stimmung am besten fühlen konnte, wurden als die zwölf Raunächte bezeichnet. Rau leitet sich von dem Begriff Runen/Raunen ab. Im 33. Abenteuer des Nibelungenliedes finden wir den Satz „Waz nu hie inne runen-die Hiunen degene“ = Was sich die Hunnendegen in die Ohren raunen“. Rune/Raunen heißt also so viel wie geheimnisvolles Flüstern. Vielleicht wanderten unsere Vorfahren tagsüber durch die Natur und lauschten den Botschaften der Tiere und Pflanzen oder der des Wetters. Vielleicht gaben sie diese Neuigkeiten abends in weihnachtlicher Stimmung leise und mit ehrfurchtsvoller Stimme an ihre Liebsten weiter.

 

Wir sollten uns in Bezug auf die Wintersonnenwende das Wichtigste merken. Allerdings wurde dies in der Geschichte nur allzu oft und allzu leicht vergessen. Die wiederkehrende Sonne zeigt uns das immer wieder-kehrende Leben mit seinen ewigen Gesetzmäßigkeiten. Es ist ein ewiger Kreislauf der Natur. Wenn uns in heutiger Zeit wieder einmal vieles verrückt und wahnsinnig erscheint, sollten wir ein bisschen mehr Vertrauen in diese ewigen Gesetze von Sterben und Leben/ Geburt und Tod haben. Denn eins hat die Geschichte gezeigt: selbst nach tiefster Dunkelheit, nach furchtbarsten Kriegen und nach größten Naturkatastrophen, selbst wenn alles am Boden liegt, alles chaotisch, sinnlos, verrückt und tot erscheint, erwacht das Leben von neuem und entwickelt sich weiter. Nichts geht dabei verloren, es verschwindet höchstens zeitweise.

 

Genau dieses Wissen um den ewigen Kreislauf und das ewige Leben symbolisieren unser immergrüner Adventskranz und unser immergrüner Weihnachtsbaum. Allerdings glaube ich, dass wir mit dem Anzünden der vier Kerzen auf dem Adventskranz einen Fehler begehen. Man müsste, anstatt Woche für Woche eine weitere Kerze anzuzünden, eine weitere Kerze auspusten, da ja das Verschwinden der Sonne symbolisiert werden soll. Am Ende bleibt nur noch eine Kerze brennen, da ja die Sonne uns ebenfalls niemals ganz verlässt. Dann zu Weihnachten erstrahlt als Zeichen der Wiederkehr der Tannenbaum  im Lichterglanz.

 

Seinen Ursprung hat der Brauch des Weihnachtsbaums, wie ich im letzten Artikel dargelegt habe, in der Baum- und Waldliebe der Germanen. Er symbolisiert den germanischen Weltenbaum Yggdrasil. Wenn Sie also an Heilig Abend vor ihrem liebevoll geschmückten Baum stehen und vor der Bescherung in fröhlicher Stimmung die abschließende Strophe

 

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

dein Kleid will mich was lehren!

Die Hoffnung und Beständigkeit

gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit!

O Tannenbaum, o Tannenbaum,

dein Kleid will mich was lehren!

 

singen, dann schöpfen Sie Kraft und Vertrauen für das nächste Jahr. Haben Sie keine Angst, sondern Freude und Mut, egal wie dunkel es auch werden mag. Nichts ist sinnlos, alles bleibt.

 

Ich wünsche Ihnen eine fröhliche Weihnacht.

 

PS: Wussten Sie, dass auf dem Petersplatz in Rom erstmals 1982 (!) ein Weihnachtsbaum aufgestellt werden durfte? Vielleicht sollten wir anfangen in Jahrhunderten zu denken.

 

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