ToGü-Verlag
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Durchforstung!

Vorab muss ich erwähnen, dass das Rechtsempfinden und die Rechtsprechung bei den Germanen eine wesentliche Rolle gespielt haben muss. Diese Behauptung lässt sich mit Hilfe unzähliger Rechtsbegriffe, die sich in unseren heutigen Ortsnamen wiederspiegeln, belegen. Als kurze Anregung diesbezüglich möchte ich kurz auf die unterschiedlichen Nennungen für den Rechtsbegriff Gerichtsstätte eingehen.

Die Gerichtsstätte wurde unter anderen als Mahlstatt, Thing oder Gogericht bezeichnet. Die Mahlstatt findet sich heute zum Beispiel in dem Dorf Mahlerten oder in der Stadt Detmold wieder. Mahlerten, liegt an der B1 zwischen Hildesheim und Hameln und hieß 1284 noch Malerde. Detmold wurde 783 erstmals als Theotmalli erwähnt. Das Thing entdecken wir in fast direkter Nachbarschaft zu Mahlerten. Das zur selben Gemeinde gehörende Dorf Rössing hieß in den ersten Quellen noch Rotthing. Auch in der Stadt Göttingen ist noch eindeutig das Thing enthalten.

Ich bin der Meinung, dass sich das ausgeprägte germanische Rechtsempfinden in den Begriffen gerecht/Gerechtigkeit/ungerecht/Ungerechtigkeit niedergeschlagen hat. Der Begriff entstand vermutlich während der römischen Eroberungsversuche. Die Germanen fingen an zwischen ihrem Germanischen Recht und dem Römischen Recht zu unterscheiden. Das Germanische Recht verkürzte sich sprachlich zu gerecht. Noch heute empfinden große Teile der Bevölkerung das mit der Christianisierung aufgezwungene Römische Recht als unGerRecht und können es nicht verstehen.

Dies als Einleitung, um das Folgende einleuchtender zu machen.

Der germanische Gott für Recht und Gesetz trägt den Namen Forseti. Er stammt aus dem Göttergeschlecht der Asen, ist ein Sohn des Baldur und der Nanna und gilt als oberster Streitschlichter. Man findet über ihn in der Edda im Lied Grimnis folgenden Wortlaut.

 

Glitnir ist die zehnte;
auf goldnen Säulen ruht
Des Saales Silberdach.
Da thront Forseti den langen Tag
Und schlichtet allen Streit.

 

Lässt es sich belegen, dass der Name der Ortschaft Groß Förste, auf den germanischen Gott Forseti zurückzuführen ist und somit germanischen Ursprungs ist?

Das Dorf Groß Förste liegt an der Bundesstraße 6 zwischen Hildesheim und Hannover. Die B6 ist eine alte Handelsstraße, die es schon zur Bronzezeit gegeben hat.

Wenn man aus dem Hotel Restaurant Ernst kommt und schräge über die B6 hinweg auf die gegenüberliegende Seite schaut, findet man dort eine merkwürdige durch halbhohe Mauern eingefasste, künstliche Erhöhung, den Lindenbrink.

Unsere Vorfahren, die Germanen, hielten ja bekannterweise ihre rechtsprechenden Versammlungen am Tage auf einem Hügel unter Linden, der sich im oder in der Umgebung des Dorfes befand, ab. Der Begriff der Tagung hat hier seinen Ursprung.

Der Name der Straße, die direkt am Lindenbrink vorbeiführt, lautet „Burgstraße“. Die Burganlagen der Germanen waren die Wallburgen. Sie waren in der Regel an wichtigen Handelsstraßen gebaut und hatten zwei Funktionen. Zum einen sollten sie die Straßen kontrollieren und schützen.  Zum anderen dienten sie feierlichen Zwecken. Dieser kultische Charakter der Wallburganlagen findet sich in der deutschen Sprache in Wörtern wie Wallfahrt, Wallburgnacht (Wallpurgisnacht), in Wallung kommen, Walstatt (Kampfstätte), Walküren (den Wall ehren) oder dem Walzer (Hochzeitstanz) wieder. Die nicht mehr vorhandene Burganlage in unmittelbarer Nähe des Lindenbrinks wird ein Ort solcher Feierlichkeiten gewesen sein.

Interessant sind auch die weiteren Straßen in unmittelbarer Umgebung der vermuteten alten Gerichtsstätte. So finden wir die Straße „Im Winkel“, die auf der anderen Seite der B6 liegt und das Hotel Restaurant Ernst umschließt und über die „Godehardstraße“ direkt auf den Lindenbrink zuläuft. Wieder bieten die Straßennamen Hinweise auf Rechtsbegriffe. Den Winkel finden wir heute noch im Winkeladvokaten und die „Godehardstraße“ ist ein Hinweis auf den germanischen Goden und das Gogericht. Hier eine Karte zum besseren Verständnis der Straßenverläufe.

Der Gerichtsplatz Lindenbrink befindet sich an der Burgstraße/Ecke B6 am rechten Bildrand.

 

Gaststätten und Unterkünfte waren natürlich unabdingbar bei den wiederkehrenden Versammlungen und Feierlichkeiten. Es überrascht daher nicht, dass wir oftmals in direkter Nähe der ehemaligen Thingplätze auch noch heute Gaststätten und Hotels finden. Es hat sich gar nicht so viel geändert. Es ist im Grunde vieles noch da, man muss es nur sehen. Die Gaststätten haben meist versinnbildlichte Namen wie „Zur Linde“, „Zur grünen Linde“, „Zum schwarzen Bären“, etc. Falls Sie sich für die Bedeutung dieser Namen interessieren, empfehle ich Ihnen die Bücher von Rainer Schulz.

Das Hotel Restaurant jedenfalls gehört seit Jahrhunderten der fest im Dorf verwurzelten Familie Ernst. Der Name Ernst erinnert stark an den germanischen Ersten, (englisch first, niederländisch Vorst oder dänisch fyrste), dem frei gewählten Vorsitzenden der Gemeinschaft. Sieht man sich das Wappen der Familie an, fallen einem die zwei schwarzen Löwen, einen sich zum Kampf erhebenden und einen zum Kampf schreitenden, ins Auge.

Vielleicht ist das Wappen ein versteckter Hinweis auf die Gerichtsstätte Lindenbrink und darauf, dass dort Recht auch durch Zweikämpfe gesprochen wurde. Dass das Wappen eine versteckte Symbolik hat, zeigt der Helm, der ja das Antlitz unsichtbar macht. Die Farben des ortsansässigen Sportvereins SSV Förste sind schwarz und weiß, im übertragenen Sinne Alles oder Nichts, Leben oder Tod.

Eindeutig wird der germanische Hintergrund jedoch erst, wenn man sich mit dem Namen Förste selbst beschäftigt. Förste wird in den ältesten Urkunden unter anderem als Vorsite erwähnt. Der germanische Gott für Recht und Gesetz ist wie oben bereits erwähnt Forseti. Ihm weihten unsere Vorfahren ihre Thingversammlungen. Von ihm leitet sich der Vorsitzende einer Versammlung ab.

Die heutige Insel Helgoland hatte vor dem 19. Jahrhundert keinen eindeutigen Namen. Sie wird bei dem im 11. Jahrhundert lebenden Chronisten Adam von Bremen als Fositesland bezeichnet. Hier soll sich u.a. eine heilige Quelle des Gottes Fosite befunden haben. Der heilige Bischof Liudger ließ im Rahmen der gewalttätigen Christianisierung die germanischen Naturheiligtümer Helgolands zerstören. Trotzdem zeigen laut Wikipedia Karten aus dem Barock (Kunstepoche von 1575 bis 1770) auf Helgoland noch ein templum Fostae vel Phosetae.

Es ist gemeinhin bekannt, dass die Germanen eine besondere Beziehung zur Mutter Natur pflegten. Insbesondere die Wälder hatten es ihnen angetan. Der Begriff des Försters wird daher seine Wurzel ebenfalls im Gott Forseti haben. Unsere Vorfahren glaubten an das Göttliche in der Natur und somit auch an das Göttliche in sich. Sie personifizierten ihre Götter und jedem war es möglich Göttliches zu vollbringen, bzw. Gott zu werden. Dieser Glaube an das Göttliche im täglichen Leben steht im völligen Gegensatz zu dem Jenseitsglauben der monotheistischen Religionen. Der Germane will das Paradies auf Erden schaffen, wohingegen zum Beispiel dem Christen oder Mohammedaner das Paradies erst im Jenseits versprochen wird. Doch das ist ein eigenständiges Thema.

In Deutschland gibt es weitere Orte deren Wortstamm sich auf Forseti beziehen. Bei dem Dorf Förste am Harz entdeckte man 1972 die Lichtensteinhöhle. In ihr fanden Höhlenforscher einen Kult- und Bestattungsplatz, der die Reste von Menschen aus der späten Bronzezeit beherbergte. Ihre Knochen bilden den weltweit größten DNA-Pool der Bronzezeit. Man verglich die DNA der Knochen mit der von 270 Menschen aus den umliegenden Orten. Es stellte sich mehrere Verwandtschaften heraus und zwei Männer, die in Sichtweite der Höhle lebten, waren sogar direkte Nachfahren eines Mannes aus der Höhle. Das bedeutet, dass die beiden Männer im Moment das Ende einer Kette von mindestens 3000 Jahren Geschichte und über 100 Generationen Familie sind!

Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die Begriffe Förster und Vorsitzender, sowie der Ortsname Groß Förste mit Sicherheit germanischen Ursprungs sind und auf den germanischen Gott Forseti zurückgehen. Die kleine Erhebung „Lindenbrink“ wird der letzte sichtbare Rest der ursprünglichen Gerichtsstätte  der Förster sein. Es wäre doch schön, wenn mehr Menschen ihre Heimatdörfer durchforsten würden. Man könnte in Zukunft auf diesen alten Gerichtsstätten bei einem Glas Bier den Streit mit seinem Nachbarn beilegen ohne die römischen UnGerichte anrufen zu müssen.

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